03. Apr 2020 |

Bundesrat prüft COVID 19-Massnahmen im schweizerischen Sanierungsrecht

Am 1. April 2020 veröffentlichte das Bundesamt für Justiz (BJ) ein Konzeptpapier samt Verordnungsentwurf hinsichtlich temporärer Anpassungen im schweizerischen Sanierungsrecht. Um Massenkonkurse nach Ablauf des allgemeinen Rechtsstillstands am 19. April 2020 zu verhindern, soll die Bilanzdeponierungspflicht unter gewissen Voraussetzungen ausgesetzt und ein vereinfachtes COVID-19 Nachlassstundungsverfahren eingeführt werden (vgl. die Medienmitteilung vom 1. April 2020).

Die Blitzvernehmlassung dauerte bis am 3. April 2020 12:00 Uhr. Es sind zahlreiche Vernehmlassungsantworten eingegangen. Auch das Sanierungs- und Restrukturierungsteam von Baur Hürlimann Rechtsanwälte hat sich an der öffentlichen Konsultation beteiligt.

 

Die wesentlichen Thesen von Baur Hürlimann Rechtsanwälte:

1. Der allgemeine Rechtsstillstand soll um einige Wochen über den 19. April 2020 hinaus verlängert werden, um die Auswirkungen der COVID-19 Massnahmen auf KMU besser zu analysieren und die geeigneten temporären Anpassungen im Insolvenz- und Sanierungsrecht zu definieren. Der notrechtliche allgemeine Rechtsstillstand dauerte lediglich bis zum 4. April 2020. Danach beginnen die gesetzlichen Osterbetreibungsferien. D.h. es sollte möglich sein, den allgemeinen Rechtsstillstand noch um einige Wochen zu verlängern, bevor die befürchteten wirtschaftsschädlichen Folgen eintreten.

 

2. Die vom BJ vorgeschlagene temporäre Aussetzung der Bilanzdeponierungspflicht für KMU, welche infolge der Coronakrise in finanzielle Schieflage geraten sind, wird begrüsst. Die vorgesehenen Gesetzesbestimmungen müssen indes noch geschärft werden.

 

3. Anstelle eines spezifischen COVID-19 Nachlassstundungsverfahrens wird in Anlehnung an den Rechtsstillstand bei schwerer Erkrankung (vgl. Art. 61 SchKG) die Einführung eines befristeten KMU-Rechtsstillstands vorgeschlagen, welcher auf Antrag des KMU durch das Nachlassgericht bewilligt wird. Damit können die befürchteten Massenkonkurse verhindert werden. Kommen KMU trotz dieses individuellen Rechtsstillstands nicht mehr auf die Beine, kann unter den gegebenen Voraussetzungen eine Nachlassstundung durchgeführt oder der Konkurs eröffnet werden.

 

Die Idee hinter der angedachten COVID-19 Nachlassstundung besticht und es gibt gute Gründe, ein solches Verfahren einzuführen. Indes überwiegen die Nachteile die Vorteile. Bereits aus den zahlreichen Vernehmlassungsantworten, welche v.a. von Fachleuten teils Kommentarcharakter aufweisen, ist zu erahnen, mit welchen Rechtsfragen sich die Gerichte dereinst im Zusammenhang mit der COVID-19 Stundung werden befassen müssen. Für KMU braucht es jetzt aber einfache und günstige Lösungen, welche die Verwaltung und die Justiz nicht übermässig belasten.

 

Das Ziel, KMU vor Betreibung und Konkurs zu schützen, wird mit einem individuell zu beantragenden Rechtsstillstand analog zum schwer erkrankten Schuldner vollumfänglich erreicht. Sollte ein KMU tatsächlich sanierungsbedürftig sein, d.h. insb. einen Bedarf nach operativer und finanzieller Restrukturierung haben, ist die bereits heute existierende Nachlassstundung bestens geeignet. Diese hat sich entgegen diverser Meinungen in den Vernehmlassungsantworten auch und insbesondere bei KMU in der Praxis bewährt. Entscheidend in der Praxis ist weniger, ob das Nachlassstundungsverfahren als solches bezahlt werden kann, d.h. die Gerichts- und Sachwalterkosten, sondern ob der Betrieb während der Stundung finanzierbar ist. Ist dies der Fall, steht einer Stundung nichts im Wege. Auch nicht die Gerichts- und Sachwalterkosten, welche im Hinblick auf die regelmässig besseren Gläubigerquoten im Vergleich zu einer sofortigen Konkurseröffnung gerechtfertigt und angemessen sind. Es ist zu hoffen, dass infolge der Coronakrise die Nachlassstundung nachhaltig entstigmatisiert wird und dadurch neue Finanzierungsmodelle spezifisch für Stundungsfälle ermöglicht und damit Sanierungen gefördert werden.

 

4. Die vom BJ vorgeschlagenen punktuellen Ergänzungen der Nachlassstundung werden begrüsst, da sie Sanierungen fördern. Zu diskutieren wären weitergehende Anpassungen, um die Fortführung eines Betriebs während der Nachlassstundung und somit die Verfahrensfinanzierung zu erleichtern.

 

5. Es soll von der Einführung der allg. Notstundung abgesehen werden.

 

Die vollständige Vernehmlassungsantwort von Baur Hürlimann Rechtsanwälte können Sie hier downloaden.

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