30. Jun 2020 |
Herabsetzung von Schadenersatz und Konventionalstrafe im TU-Werkvertrag
Im Urteil 4A_273/2019 vom 17. April 2020 bestätigte das Bundesgericht die Herabsetzung des Schadenersatzanspruchs einer sachverständigen Bestellerin, weil auch deren Weisung für den Schaden mitursächlich war. Sodann rief das Bundesgericht in Erinnerung, dass eine der Bestellerin auferlegte Verwaltungsstrafe keinen zivilrechtlich ersatzfähigen Schaden darstellt. Schliesslich klärte das Bundesgericht, dass die für die Ablieferungsverzögerung von 5 Chalets vereinbarte Konventionalstrafe auch dann nicht übermässig hoch ist, wenn sie mehr als 10 % des Werkpreises beträgt.
Sachverhalt
Die C AG beauftragte am 3. März 2004 mittels Totalunternehmer-Werkvertrag (TU-Werkvertrag) die D AG und B AG mit der Projektierung und Erstellung von fünf Chalets im Ferienort Verbier. Der TU-Werkvertrag enthielt zahlreiche Pläne, Bauprogramme, einen Zahlungsplan, die Baubewilligung (datierend vom 22. Dezember 2003) sowie Versicherungspolicen. Als pauschaler Werklohn wurden CHF 7‘590‘297.00 vereinbart.
Gemäss dem vereinbarten Terminprogramm hätten die fünf Chalets am 29. Juli 2005 der C AG übergeben werden müssen. Für den Fall einer verspäteten Fertigstellung über den 23. Dezember 2005 hinaus war im TU-Werkvertrag eine Konventionalstrafe von 0.25 % des Werts aller noch nicht abgenommener Chalets pro Woche vorgesehen.
Gemäss den Plänen, die der Baugenehmigung vom 23. Dezember 2005 zu Grunde lagen, sollten die Untergeschosse der Chalets lediglich nicht bewohnbare Räume beinhalten. Aufgrund einer Weisung der C AG wurden diese Räume dann jedoch so erstellt, dass sie als Wohnräume genutzt werden können. Die Gemeindebehörde verlangte deshalb die Durführung eines nachträglichen Baubewilligungs-verfahrens, im Zuge dessen die C AG von verschiedenen Nachbarn und der Gemeinde Bagnes wegen der vergrösserten Wohnfläche die notwendigen Rechte erwerben musste. Überdies hatte sie der Gemeinde eine Verwaltungsstrafe von CHF 100’000.00 zu bezahlen.
Nachdem es nach Dezember 2005 zu weiteren Verzögerungen und Differenzen zwischen den Parteien gekommen war, teilte die C AG den Totalunternehmern am 3. Oktober 2007 mit, dass sie die Arbeiten auf deren Kosten einem Dritten übertragen würde.
Mit Klage vom 10. Dezember 2007 reichte die C AG beim zuständigen Bezirksgericht eine Klage über CHF 3‘374‘480.40 zzgl. Verzugszins gegen die D AG und B AG ein. Die Beklagten beantragten die Klageabweisung und erhoben ihrerseits Widerklage im Umfang von CHF 292‘486.22 zzgl. Verzugszins. Mit Urteil vom 8. August 2016 wurden die Beklagten verpflichtet, der Klägerin (C AG) CHF 2‘014‘002.00 zzgl. Verzugszins zu bezahlen. Die Widerklage wurde abgewiesen.
In teilweiser Gutheissung der gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Berufung verringerte das Kantonsgericht Wallis die Forderung der C AG auf Fr. 1‘381‘351.00. Ausschlaggebend für die Reduktion des Anspruchs der C AG waren die folgenden drei Aspekte:
• Keine Ersatzfähigkeit der Verwaltungsstrafe von CHF 100’000.00, folglich kann diese auch nicht auf die Totalunternehmer überwälzt werden
• Herabsetzung des Schadenersatzes zufolge einer unsachgemässen Weisung der Bestellerin
• Pauschale Herabsetzung der für Ablieferungsverzögerungen vereinbarten Konventionalstrafe auf
maximal 10 % des Werklohnes
Weisung der Bestellerin
Ausgangspunkt der vorliegenden Streitigkeit bildet die Weisung der Klägerin C AG, im Untergeschoss der fünf Chalets zusätzliche Wohnräume zu bauen, was zu einem nachträglichen Baubewilligungs-verfahren, weiteren Kosten sowie einer Verwaltungsstrafe führte.
Im Grundsatz war auch vor Bundesgericht unbestritten, dass die für die Planausarbeitung verantwortlichen Totalunternehmer B AG und D AG die Bestellerin C AG hätten abmahnen und ihr mitteilen müssen, dass der Bau zusätzlicher Wohnräume im Untergeschoss zu grossem Aufwand und zu hohe Mehrkosten führt. Mangels einer solchen Abmahnung seitens der Totalunternehmer waren diese für den eingetretenen Schaden primär haftbar. Fraglich und umstritten war hingegen vor Bundesgericht, ob der Schadenersatz der C AG vom Kantonsgericht zu Recht herabgesetzt wurde.
Das Kantonsgericht verminderte den vom Bezirksgericht zugesprochenen Schadenersatz um CHF 100’000.00, weil die der C AG verhängten Verwaltungsstrafe als persönliche Sanktion nicht auf die Totalunternehmer überbunden werden könne. Dies wurde vom Bundesgericht bestätigt. Eine Busse stelle keinen zivilrechtlich einklagbaren Schaden dar. Wenn die C AG der Auffassung sei, dass nicht sie die Verantwortung für die von der Baubewilligung abweichenden Ausführungspläne zu tragen habe, dann hätte sie die Verwaltungsstrafe anfechten müssen (E. 4.2).
Das Kantonsgericht kürzte den Schaden darüber hinaus im Umfang von 10 % des Schadens, weil der C AG ein Mitverschulden anzulasten sei. Das Bundesgericht schützte auch diese Kürzung. Als Organe der C AG seien auch zwei in der Immobilienentwicklung tätige Rechtsanwälte involviert gewesen, die – auch ohne entsprechende Abmahnung der Totalunternehmer – ohne Weiteres hätten erkennen müssen, dass der Bau von zusätzlichen Wohnräumen im Untergeschoss der Chalets zu Unregelmässigkeiten bzw. Problemen mit der Baubewilligung, welche solche Wohnräume im Untergeschoss nicht vorsah, führen könnte. Die vorgenommene Kürzung des Schadenersatzes von 10 % sei daher nicht zu beanstanden (E. 4.2 und 4.3).
Herabsetzung der Konventionalstrafe
Aufgrund von 67 Wochen Verspätung bei der Ablieferung der Chalets sprach das Bezirksgericht der C AG, neben dem bereits erwähnten Schadenersatz, eine Konventionalstrafe von CHF 1’271’375.20 zu. Das Kantonsgericht bestätigte die Berechnung des Bezirksgerichts im Grundsatz, hielt jedoch eine Konventionalstrafe von insgesamt 16.75 % des vereinbarten Pauschalpreises für überhöht und i.S.v. Art. 163 Abs. 3 OR für reduktionspflichtig. Das Kantonsgericht reduzierte die Konventionalstrafe auf rund 10 % des Werklohnes, d.h. CHF 800’000.00.
Das Bundesgericht hiess die vom Kläger gegen diese Kürzung erhobene Beschwerde gut und entschied gleich reformatorisch zu Gunsten der C AG. Im Ergebnis habe die Vorinstanz die Herabsetzung der Konventionalstrafe i.S.v. Art. 163 Abs. 3 OR lediglich damit begründet, dass bei einem Ablieferungs-verzug des Werks die Konventionalstrafe rund 10 % des Werkpreises nicht überschreiten dürfe. Die von der Vorinstanz bemühte 10%-Regelung sei jedoch einzig im Einzelfall aufgrund der konkreten Umstände zu rechtfertigen und keine starre Regel. Solche Umstände seien von der Vorinstanz aber nicht dargelegt worden. Dem vorinstanzlichen Urteil sei nichts zu entnehmen, was die nach dem TU-Werkvertrag vereinbarte und berechnete Konventionalstrafe als exorbitant und geradezu unbillig erscheinen lassen würde (E. 5.2).
Die Bestellungsänderung bzw. Weisung der C AG, wonach auch im Untergeschoss der Chalets Wohnräume zu erstellen seien, habe nachweislich keinen Einfluss auf die streitgegenständliche Verspätung gehabt, weil diese nach den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz erst ab Ende 2005 eingetreten sei und ausschliesslich auf Verzögerungen bei den Bauarbeiten der D AG und B AG zurückzuführen sei. Eine Reduktion der Konventionalstrafe lasse sich deshalb auch nicht mit der Weisung der Bestellerin rechtfertigen (E. 5.3).
Im Ergebnis bestätigte das Bundesgericht damit in Gutheissung der Beschwerde der C AG die vom Bezirksgericht errechnete Konventionalstrafe in Höhe von CHF 1’271’375.20 zzgl. Verzugszins.
Bemerkungen
Sachverständige Weisungen des Bestellers, deren Fehlerhaftigkeit der Unternehmer weder erkannt hat noch erkennen musste (und entsprechend auch nicht abgemahnt hat), führen im Einzelfall gestützt auf Art. 369 OR zu einer vollständigen Haftungsbefreiung des Unternehmers, wenn die fehlerhafte Weisung des Bestellers die alleinmassgebliche Ursache des daraus fliessenden Werkmangels bildet (vgl. GAUCH, Der Werkvertrag, 6. Aufl. 2019, N 1958 ff.). Hingegen fällt das beschränkte Selbstverschulden des Bestellers nicht unter Art. 369 OR, sondern führt in Anwendung von Art. 99 Abs. 3 OR i.V.m. Art. 44 Abs. 1 OR zu einer Reduktion der vertraglichen Haftung (vgl. GAUCH, a.a.O., N 2061 ff.).
Gegenstand des vorliegenden Streitfalles bildete ein beschränktes Selbstverschulden der Bestellerin, welche ihre Totalunternehmerin anwies, auch im Untergeschoss der fünf Chalets Wohnräume zu bauen. Weil der Zweck der C AG in der Abwicklung von Immobiliengeschäften bestand und als Organe nicht nur die beiden Aktionäre in Erscheinung traten, sondern auch zwei im Immobilienrecht tätige Juristen, erscheint es nachvollziehbar, dass das Bundesgericht (wie auch das Kantonsgericht) die Schadenersatzforderung der C AG um 10 % reduzierte. Zwar lag die Verantwortung für das Projekt zweifellos bei der Totalunternehmerin, welche die unsachgemässe Weisung ihrer Bestellerin zwingend hätte abmahnen müssen, nachdem dadurch die Vorgaben der Baubewilligung betr. Wohnfläche nicht mehr eingehalten werden konnten. Indes musste der C AG aufgrund des ihr zugemessenen Sachverstandes auch ohne entsprechende Abmahnung bewusst gewesen sein, dass ihre Weisung zu Problemen mit der Baubewilligung führen wird. Entsprechend hat sie einen Teil des eingetretenen Schadens selber zu tragen.
Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung weist das Bundesgericht sodann zu Recht darauf hin, dass im Rahmen der Herabsetzung einer übermässig hohen Konventionalstrafe stets die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (vgl. WUFFLI, OR 163 N 8, in: Kren Kostkiewicz/Wolf/Amstutz/Fankhauser (Hrsg.), Kommentar Schweizerisches Obligationenrecht, 3. Aufl. 2016). Insofern kann die Konventionalstrafe für Ablieferungsverzögerungen im Einzelfall durchaus auch mehr als 10 % des Werkpreises betragen und ist nur dann i.S.v. Art. 163 Abs. 3 OR herabzusetzen, wenn sie aufgrund der Umstände des Einzelfalles als überhöht zu qualifizieren ist.